A-Sfr
Das Musikarchiv
des Franziskanerklosters Salzburg
Unter den Musikarchiven der "Tiroler Franziskanerprovinz" kommt auch dem des Klosters Salzburg eine herausragende, individuell geprägte Stellung zu: Für die Zeit bis nach 1800 birgt es im internationalen Kontext beeindruckende Zeugnisse generöser Musikpflege, da das Kloster bis 1818 zur "Oberdeutschen Franziskaner-Rekollekten-Provinz" gehörte und noch dazu meist deren größter Konvent war. Als Spätfolge der Säkularisation des Erzstiftes Salzburg 1803 wurde das Franziskanerkloster Salzburg 1818 ein Teil der "Tiroler Provinz" (bis 1897 "Tiroler Reformaten-Provinz"), in der die Musik weiter eine wichtige Rolle spielte, wenngleich in bescheidenerer Form. Auch hierüber geben die erhaltenen Archivalien umfassend und untrüglich Aufschluss.
P. Oliver Ruggenthaler OFM hat als Provinzarchivar (bis Januar 2008 im Kloster Schwaz, seither im Kloster Salzburg, dem Provinzialat der im Oktober 2007 strukturierten "Franziskanerprovinz Austria vom hl. Leopold") 2003 den historischen Notenbestand des Franziskanerklosters Salzburg im Zuge seiner Sichtungs- und Ordnungsarbeiten in der gesamten "Tiroler Franziskanerprovinz" (vgl. RISM works in progress: A SWp,I BZf) in einem eigenen Archivraum neu nach RISM-Kriterien geordnet und gelagert.
Der Bestandsumfang A Sfr:
1) Über 150 Libretti aus dem 17./18. Jahrhundert (Drucke und Handschriften);
dazu vermutlich auch noch einige Periochen (SJ) aus der Zeit um 1600,
verstreut in der Klosterbibliothek.
2) 17 Choralhandschriften des 18. Jahrhunderts, teilweise mit B.c.
3) Etwa 4000 Musikhandschriften vom frühen 18. bis in die 1. Hälfte
des 20. Jahrhunderts.
4) Etwa 1600 Musikdrucke vom 18. bis in die 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts.
5) Musica theoretica aus dem Nachlass des Salzburger Domchorregenten
Julius Stecher ( 1666)
Zu den Besonderheiten des Bestands A-Sfr:
Die Libretti weisen erstmals Aufführungen von Musiktheater nach, in Salzburg für das Universitäts- und Residenztheater, das Benediktiner- und Franziskanerkloster, ferner für auswärtige Spielstätten, darunter Kremsmünster, Wien, Prag, Passau, München. Die Musik dazu stammte u.a. von Adlgasser, Biber, Caldara, Camerloher, Eberlin, M. Haydn, L. Mozart, Georg Muffat.
Die in den Musikhandschriften des 18. Jahrhunderts nachgewiesenen Werke komponierten Ordensangehörige der "Oberdeutschen Franziskaner-Rekollekten-Provinz", der Benediktiner sowie renommierte Musiker aus Salzburg und des Wiener bzw. süddeutsch-österreichischen Raumes, unter ihnen Adlgasser, Aumann, "Brixi", Caldara, Eberlin, Fux, Hafeneder, Hasse, J. und M. Haydn, Kracher, Lipp, W. A. Mozart, Paris, Pausch, Rosetti, Zach.
Zu den Hauptkopisten gehört P. Nonnosus Blankensteiner OFM (1729-1799), u.a. Organist und Chorregent an der Franziskanerkirche Salzburg. Die Beteiligung Salzburger Hofkopisten etwa wie Josef Estlinger (1720-1791) oder Maximilian Raab (ca. 1720-1780) an der Fertigung von Handschriften in A Sfr hat eine hohe Authentizität dieser Quellen zur Folge.
Die Musikhandschriften des 19. Jahrhunderts teilen sich im wesentlichen ebenfalls in Werke franziskanischer Ordensangehöriger sowie führender Komponisten aus Salzburg, Wien, Tirol oder Süddeutschland.
Da im 19. Jahrhundert P. Peter Singer OFM (1810 Häselgehr/Tirol Salzburg 1882) aus dem Salzburger Konvent nicht zuletzt als Instrumentenmacher und persönlicher Bekannter von Prominenz wie Bruckner, Liszt, Meyerbeer oder mehrerer Staatsregenten eine regelrechte Salzburger Attraktion war (an nur 5 Tagen des Salzburger Mozartfestes 1856 sollen ihn 1300 Leute persönlich aufgesucht haben), hat natürlich sein kompositorischen Nachlass mit mehr als 300 Werken einen besonderen Rang. In der Dissertation von Wolfgang Hoffmann, Pater Peter Singer [ ] (München-Salzburg 1990) sind die Werke Singers nur sehr lückenhaft erfasst, so dass auch für diesen repräsentativen, im gesamten süddeutsch-österreichischen Raum verbreiteten Komponisten, dessen Stücke auf Tiroler Kirchenchören noch im 20. Jahrhundert häufig aufgeführt wurden, eine kompetente Monografie samt zutreffendem Werkverzeichnis erst unter korrekter Berücksichtigung dieser Salzburger Quellen zu schreiben ist.

Josef Alois Ladurner (1769-1851), Konsistorialrat in Brixen, 16 Variationen über einen beliebten Wiener Walzer […], Urfassung, Titelblatt (A Sfr). Überarbeitet gedruckt als Opus 10 in München bei Falter & Sohn um 1820. (Foto: OlRG, 2006); Tonaufnahme (Druckfassung): CD J. A. Ladurner, Klavierwerke (Kammerkonzert 1997), Innsbruck: Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum 1997
Die Musikdrucke des 19. Jahrhunderts betreffen geistliches Repertoire des deutschsprachigen Raumes, von franziskanischen Komponisten wiederum und von Cäcilianern.
Handschriften des 20. Jahrhunderts stammen u.a. von Vinzenz Goller (1873 St. Andrä/Brixen Klosterneuburg 1953), ein Autograph von Josef Messner (1893 Schwaz/Tirol St. Jakob am Turm bei Salzburg 1969). Das Proprium op. 71 von Egon Wellesz (1885 Wien - Oxford 1974) ist hier weltweit singulär vollständig überliefert, in der Abschrift des Dirigenten der Uraufführung von Linz 1953.
Die wissenschaftliche Katalogisierung des Bestandes im Rahmen des RISM Landesleitung Tirol-Südtirol & OFM Austria wurde 2007 von P. Oliver Ruggenthaler OFM und Hildegard Herrmann-Schneider konzipiert.
Der Start für die Titelerfassung erfolgte im Herbst 2007.
Stand der Bearbeitung (20.7.2013):
Musikhandschriften ca. 2150 Titelaufnahmen, Musikdrucke ca. 250 Titelaufnahmen, Libretti (Grunddaten) ca. 150 Titel.
Seit Juni 2010 sind alle bisher bearbeiteten Titel (als work in progress) im RISM-OPAC publiziert, einem Projekt von RISM in Kooperation mit der Bayerischen Staatsbibliothek München und der Staatsbibliothek Berlin Preußischer Kulturbesitz: http://www.rism.info/
Projektleitung (fachlich): |
Univ.-Doz. Mag. art. Dr. phil. Hildegard HERRMANN-SCHNEIDER |
Projektleitung (ordensintern) |
P. Oliver Ruggenthaler OFM |
Bestandsbearbeitung: |
Mag. art. Dr. phil. Carena SANGL |
Projektfinanzierung: |
Internationale Salzburg Association (ISA) |

v. r.: Guardian P. Thomas Hrastnik OFM, Musikwissenschaftlerin Dr. Carena Sangl, Bibliothekar Fr. Florian Mair OFM mit einer Handschrift aus A-Sfr (Nov. 2007, Foto: HHS)
Literatur:
Thomas Hochradner
* Tradition und Wandel in Quellen: Franziskaner-Musikhandschriften in Salzburg als Beispiel,
in: "Plaude turba paupercula". Franziskanischer Geist in Musik, Literatur und Kunst. Konferenzbericht Bratislava [ ] 2004,
hrsg. v. Ladislav Ka ic, Bratislava 2005, S. 109-134 (weitere Lit. s.d.)
Oliver Ruggenthaler OFM:
* Der Musikalienbestand des Franziskanerklosters Salzburg: Relikte aus dem 18. Jahrhundert,
in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 2007, S. 367-384
* Opereta Gratulatoria Unbekanntes aus St. Peter und dem Franziskanerkloster,
in: Bastei. Zeitschrift des Stadtvereines Salzburg [...] 58 (2009), 1. Folge, S. 6-11
Hildegard Herrmann-Schneider:
* Ein Juwel im Schatzkammerland Salzburg. Das Musikarchiv des Franziskanerklosters Salzburg,
in: Tauriska. Magazin für die Schatzkammer Salzburg [ ], Sommer 2008, S. 26f. (Beilage zu den Salzburger Nachrichten vom 21./22. 6. 2008)
* KV 142 und 197 oder Anh. C 3.04 und C 3.05? Zu Mozarts Autorschaft
aufgrund einer Handschrift im Franziskanerkloster Salzburg, in: Mozart Studien 18 (2009), S. 87-100
* Zum Choralgesang mit Generalbass-Begleitung in Tiroler Klöstern des 18. Jahrhunderts.
In: Musik aus Klöstern des Alpenraums. Bericht über den Internationalen Kongress an der Universität Freiburg (Schweiz), 23. bis 24. November 2007, hrsg. v. Giuliano Castellani,
Bern [u. a] 2010, S. 109-138
* Music Manuscripts from the Seventeenth to the Twentieth Centuries in Stams,
Bressanone, Salzburg and from "Vipiteno".
In: Fontes Artis Musicae 59 (2012), p.14-24. Translation: Silvia Skelac
Carena Sangl:
* Zur Musikpraxis im Franziskanerkloster Salzburg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts,
in: Kirchenmusikalisches Jahrbuch 93 (2009), S. 73-88
* Zur Musikpraxis im Franziskanerkloster Salzburg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts,
in: Austria Franciscana 5 (2010), S. 135-149
* Mozartrezeption in Salzburg um 1800 anhand von Quellen im Franziskanerkloster Salzburg,
in: Klang-Quellen. Festschrift für Ernst Hintermaier zum 65. Geburtstag. Symposiumsbericht, hrsg. v. Lars E. Laubhold und Gerhard Walterskirchen (= Veröffentlichungen zur Salzburger Musikgeschichte, Bd. 9), München 2010, S. 301-308
* Zur Musikpraxis im Franziskanerkloster Salzburg in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts,
in: Austria Franciscana. Provinzzeitschrift der Franziskanerprovinz Austria vom hl. Leopold in Österreich und Südtirol, Nr. 5 (2010), S. 134-149 [erweiterte Variante des gleichlautenden Titels in KmJb 2009, s. o.]
* Musikpflege im Salzburg der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Quellen des Musikarchivs im Franziskanerkloster,
Druck in Vorb., Referat auf dem Symposion Unter Krummstab, Löwe und Adler. Salzburgs Musikgeschichte im Zeichen des Provinzialismus. Die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts in Salzburg am 22. 9. 2012
Petrus Eder OSB:
* "Hier liegt vor deiner Majestät",
in: Singende Kirche 58 (2011), H. 2, S. 75-77
Franz Gratl:
* Quellen zum Schaffen von P. Amando Ivan ic in Österreich und Südtirol
unter besonderer Berücksichtigung der Bearbeitungen modo franciscano, Druck in Vorb.
CD-ROM RISM A/II: Musikhandschriften nach 1600, München [u.a.] 2008, 16. Ausgabe
(651 Titelaufnahmen/v.a. Carena Sangl, Stand September 2008)
Notenedition zu A-Sfr:
Singer, Peter (1810-1882), Ad te Domine clamavi ("Offertorium Nr. 4"). Erstausgabe nach dem Autograph (1842) im Franziskanerkloster Salzburg [...], hrsg. v. Hildegard Herrmann-Schneider unter Mitarbeit von Michael Steiner-Schweißgut, Innsbruck: Institut für Tiroler Musikforschung 2010,
Musikedition Tirol: http://www.musikland-tirol.at
Singer, Peter (1810-1882), Festmesse, Es-Dur (Messe "Nr. 11") für 5 Vokalstimmen und Orgel. Erstausgabe nach dem Autograph (um 1845) im Franziskanerkloster Salzburg [...], hrsg. v. Hildegard Herrmann-Schneider unter Mitarbeit von Michael Steiner-Schweißgut, Innsbruck: Institut für Tiroler Musikforschung 2010,
Musikedition Tirol: http://www.musikland-tirol.at
Singer, Peter (1810-1882), Missa solemnis, Es-Dur (Messe "Nr. 99") für 6 Vokalstimmen und Orgel. Erstausgabe nach dem Autograph (um 1864) im Franziskanerkloster Salzburg [...], hrsg. v. Hildegard Herrmann-Schneider unter Mitarbeit von Michael Steiner-Schweißgut, Innsbruck: Institut für Tiroler Musikforschung 2010,
Musikedition Tirol: http://www.musikland-tirol.at
Singer, Peter (1810-1882), Qui habitat in adjutorio Altissimi ("Offertorium Nr. 9"). Erstausgabe nach dem Autograph (1845) im Franziskanerkloster Salzburg [...], hrsg. v. Hildegard Herrmann-Schneider unter Mitarbeit von Michael Steiner-Schweißgut, Innsbruck: Institut für Tiroler Musikforschung 2010,
Musikedition Tirol: http://www.musikland-tirol.at
Singer, Peter (1810-1882), Si observaveris Domine ("Offertorium Nr. 21"). Erstausgabe nach dem Autograph (um 1850) im Franziskanerkloster Salzburg [...], hrsg. v. Hildegard Herrmann-Schneider unter Mitarbeit von Michael Steiner-Schweißgut, Innsbruck: Institut für Tiroler Musikforschung 2010,
Musikedition Tirol: http://www.musikland-tirol.at
Konzert zu A-Sfr in der Franziskanerkirche Salzburg am 25. 5. 2013